Ausgabe März 2025

28.02.2025

Geschlechtergleichstellung und Einkommenstransparenz sind in Österreichs Unternehmen noch in weiter Ferne

Foto: dbn

Geschlechtergleichstellung und Einkommenstransparenz sind in Österreichs Unternehmen noch in weiter Ferne

Österreichs Unternehmen sind von Chancengleichheit noch weit entfernt. Wie eine neue Deloitte Umfrage zeigt, steigt weder der Frauenanteil in den obersten Führungsebenen noch wird sich der Gender Pay Gap in naher Zukunft schließen. Zwar könnte der Beschluss der neuen EU-Lohntransparenzrichtlinie dahingehend einen wichtigen Anstoß geben, die Umsetzung stellt die Unternehmen aber vor einige Hürden.

Das Beratungsunternehmen Deloitte erhebt jährlich zum Weltfrauentag die Parameter von Geschlechtergleichstellung in der österreichischen Wirtschaft. Das Ergebnis der diesjährigen Umfrage unter 500 Führungskräften zeigt: In Sachen Gleichstellung treten die Unternehmen nach wie vor auf der Stelle. Vor allem das Durchbrechen der gläsernen Decke scheint für Frauen weiterhin unmöglich.

„Fast die Hälfte der Unternehmen plant derzeit keine Erhöhung des Frauenanteils in den obersten Führungsetagen. Ein Fünftel beklagt in diesem Zusammenhang zudem einen Mangel an qualifizierten Frauen“, hält Elisa Aichinger, Partnerin bei Deloitte Österreich fest. „Die Führungsebenen in der österreichischen Wirtschaft sind seit jeher klar männlich dominiert. Die Umfrageergebnisse legen keine baldige Änderung dieser Situation nahe.“

Mit diesen Erkenntnissen reiht sich die Deloitte Studie in die Reihe weiterer Analysen ein, die den großen Aufholbedarf hinsichtlich Geschlechterparität deutlich machen. Das Weltwirtschaftsforum beispielsweise hat erst kürzlich berechnet, dass es bis zur vollständigen Gleichstellung von Frauen und Männern noch über 130 Jahre dauern wird.

Lohnlücke schließt sich nur langsam
Die mangelnden Karrierechancen für Frauen wirken sich auch auf deren Verdienst aus. So liegt Österreichs Gender Pay Gap im EU-Vergleich deutlich über dem Durchschnitt. Das Schließen der Lücke gilt weiterhin als Mammutaufgabe für Österreichs Unternehmen: Über ein Viertel (27 %) der Befragten geht davon aus, dass dies in ihrem Unternehmen noch rund zehn Jahre oder länger dauern wird. Weitere 22 % können überhaupt nicht einschätzen, wann eine faire Lohnverteilung erreicht wird.

„Zwar wird der Gender Pay Gap Jahr für Jahr etwas kleiner, doch das Tempo, mit dem wir voranschreiten, ist viel zu langsam“, betont Elisa Aichinger. „Um den Weg zur Geschlechterparität zu beschleunigen, braucht es vor allem strukturelle Veränderungen wie den Ausbau der flächendeckenden Kinderbetreuung, die frühe Förderung von Mädchen in MINT-Fächern oder den Fokus auf formale Maßnahmen wie Quoten. Unternehmen wiederum können mit nachvollziehbaren Prozessen rund um die Karriere- und Einkommensentwicklung viel bewirken und eine Unternehmenskultur schaffen, die Transparenz, Fairness und Leistungsorientierung fördert.“

EU-Lohntransparenzrichtlinie in der Kritik
Einen wichtigen Schritt in Richtung Einkommensgerechtigkeit könnte die kürzlich beschlossene EU-Lohntransparenzrichtline bringen. Bis Juni 2026 haben die Mitgliedsstaaten noch Zeit, die erforderlichen nationalen Rechts- und Verwaltungsvorschriften umzusetzen und so den Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher sowie gleichwertiger Arbeit umzusetzen. Doch nicht alle Unternehmensvertreterinnen und -vertreter sind von der neuen Richtlinie überzeugt: Fast ein Viertel (22 %) ist unsicher hinsichtlich der möglichen Auswirkungen auf die Unternehmenspraxis oder der Meinung, dass die Richtlinie mehr Probleme als Lösungen bringt.

„Auffällig ist: Vor allem Personen aus Geschäftsführung, Vorstand oder Management - und hier vor allem Männer - zeigen sich der Richtlinie gegenüber kritisch. Wenn man bedenkt, dass dies die Gruppe mit der größten Entscheidungsmacht in der Wirtschaft ist, kann das für die praktische Umsetzung künftig ein Hemmnis sein“, so Elisabeth Hornberger, Diversity-Expertin bei Deloitte Österreich. Welche Sanktionen auf Unternehmen bei einer Nichteinhaltung zukommen könnten, ist aktuell noch nicht geklärt. Der allgemeine Konsens aber lautet: Sie sollen wirksam, verhältnismäßig und doch abschreckend sein.

Überblick über Gehaltsstrukturen fehlt
Die Vorbereitungen auf die Umsetzung der Richtlinie verlaufen noch eher schleppend. Obwohl hierzulande beinahe alle Unternehmen von der Richtlinie betroffen sein werden, führen derzeit lediglich 29 % stufenweise Maßnahmen ein. Und während ein Viertel die Entwicklung zumindest laufend beobachtet, haben über 10 % nicht vor, dahingehend überhaupt aktiv zu werden.

Der Handlungsbedarf ist allerdings enorm groß: Derzeit bietet nur ein kleiner Teil der Unternehmen (12 %) vollständige Einkommenstransparenz, fast die Hälfte (44 %) hat keinen Überblick über ihre aktuellen Gehaltsstrukturen. „Der detaillierte Einblick in die Gehälter ist die Grundvoraussetzung, um Einkommensungleichheit überhaupt aufzuspüren. Unternehmen müssen jetzt handeln, nicht nur um die gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen, sondern um von den zahlreichen Vorteilen zu profitieren, die Einkommenstransparenz und Gleichstellung zur Folge haben“, so Elisabeth Hornberger abschließend.

Text/Quelle: Deloitte Österreich

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