29.12.2023
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Den Österreichischen Presserat erreichen zunehmend Beschwerden von Leserinnen und Lesern, in denen Überschriften zu Beiträgen als irreführend oder missverständlich kritisiert werden. Der Senat 2 nimmt dies zum Anlass, eine allgemeine Erklärung abzugeben.
Der Senat 2 betont, dass es in Überschriften regelmäßig zu Verkürzungen, Zuspitzungen oder auch Raffungen kommt. Dies ist aus medienethischer Sicht grundsätzlich zulässig, sofern eine verkürzte oder prägnante Schlagzeile im dazugehörigen Artikel entsprechend erläutert bzw. über die genauen Umstände des Falls aufgeklärt wird (vgl. beispielsweise die Fälle 2012/22, 2014/108 und 2017/145).
Nach der Entscheidungspraxis des Presserats ist jedoch dort eine Grenze zu ziehen, wo die Überschrift als inkorrekte Darstellung des Sachverhalts einzustufen ist. Vor diesem Hintergrund können auch Schlagzeilen gegen das Gebot einer gewissenhaften und korrekten Wiedergabe von Nachrichten verstoßen (Punkt 2.1 des Ehrenkodex für die österreichische Presse; siehe bereits die Entscheidungen 2014/18 und 27, 2015/173, 2018/289, 2019/245 und zuletzt 2022/393).
Seit einiger Zeit beobachtet der Senat eine Tendenz, Schlagzeilen oder Überschriften zu Artikeln bewusst zweideutig anzulegen. Diese Schlagzeilen sind geeignet, bei einem Großteil der Leserinnen und Lesern zunächst falsche Vorstellungen vom eigentlichen Sachverhalt zu wecken. Zur Veranschaulichung dessen nennt der Senat einige Fälle, die dem Presserat in den vergangenen Monaten gemeldet wurden:
„Klima-Kleber werben Wiener mit Geldformular an“ - im dazugehörigen Beitrag wurde lediglich über einen Fragebogen der „Letzten Generation“ berichtet, in dem u.a. auf die Möglichkeit einer Spende an die Protestbewegung hingewiesen worden war.
„Putin reagiert auf Gegen-Offensive mit Atomwaffen“ – im Artikel wurde dann bloß angemerkt, dass Russland aufgrund der ukrainischen Gegenoffensive einige seiner taktischen Atomwaffen nach Belarus verlegen werde.
„Causa Teichtmeister: Schauspieler masturbierte am Set“ – im Artikel wurde lediglich ein Zitat der Regisseurin Marie Kreutzer wiedergegeben, wonach in einem anderen Fall ein Darsteller am Filmset vor einer Maskenbildnerin masturbiert haben soll.
„Ohnmachtsanfall! Biden muss Rede unterbrechen" – im Artikel ist dann die Rede davon, dass Biden zwar die Rede unterbrechen musste, den auslösenden Ohnmachtsanfall dafür habe jedoch eine zuhörende Studentin erlitten.
Der Senat hält es für naheliegend, dass die reißerischen Überschriften in erster Linie dazu dienen, die Zugriffszahlen zu den Artikeln zu steigern. Er drückt sein Unbehagen darüber aus, dass missverständliche bzw. zweideutige Überschriften offenbar gezielt für „Clickbaiting“ eingesetzt werden. Er fordert daher die Medien dazu auf, beim Verfassen von Überschriften in Zukunft wieder achtsamer vorzugehen und dabei irreführende Formulierungen zu vermeiden.