29.08.2023
Foto: dbn
Die ÖVP hat mit dem „Bargeld in der Verfassung“ ihr Sommerthema gesetzt. Bravo! Dass sich die ÖVP damit gegen die EU stellt, nimmt die selbsternannte Europapartei in Kauf. Egal. Doch jetzt könnte sie in die Falle der FPÖ tappen.
Kanzler Karl Nehammer und sein ÖVP-Team lassen nicht locker. Sie werben weiter für den von der Strategieabteilung ausgearbeiteten Vorstoß, das Bargeld in der Verfassung verankern zu wollen. „Immer wieder hört man, das Bargeld soll abgeschafft werden. Ich als Bundeskanzler sage dir, das wird es in Österreich so nicht spielen.“ Auch wenn der Kanzler mit uns nicht per Du ist, spricht er uns im Video so an. Nehammer will bürgernah erscheinen. Egal, über diese Petitesse wollen wir großzügig hinwegsehen. Doch wie schaut es mit dem Inhalt seiner Forderung aus?
Der Leiter der Vertretung der EU-Kommission in Österreich, Martin Selmayr, zerlegte Nehammers Initiative mit trockenen Worten. Er klärt auf, erklärt die fehlende Relevanz. Denn das Bargeld sei kraft EU-Recht ohnedies als „gesetzliches Zahlungsmittel“ geschützt. Also eine Schein-Debatte. Übrigens – Selmayr ist kein böser Linker. Der CDU-Mann ist ein ausgewiesener Fachmann. Der ausgebildete Jurist arbeitete einst bei der Europäischen Zentralbank, promovierte zum Thema „Die Vergemeinschaftung der Währung“ mit Auszeichnung und war Generalsekretär der Europäischen Kommission.
Doch Selmayrs Zurechtweisung perlt an Nehammer ab. Sein Team glaubt, das Thema geht den Bürgerinnen und Bürgern unter die Haut. Also wird es weiter „gespielt“, wie man in der Politik sagt. Zudem lenkt es ab – von hoher Inflation, hohen Mieten und belastenden Korruptionsvorwürfen.
Und dann gibt es bei alledem noch eine Überlegung. Schon lange vor Nehammer hat sich FPÖ-Obmann Herbert Kickl zum Retter des Bargelds aufgespielt. Und weil der Vor-Wahlkampf schon begonnen hat, will die ÖVP den Blauen das Wasser abgraben, den FPÖ-Anhängern die Tür zur ÖVP öffnen – und sich der FPÖ anbiedern.
Dies könnte für die ÖVP gefährlich werden. So durchschauen viele Österreicherinnen und Österreicher längst die billige Absicht. Ihre Alltagsprobleme sind völlig anders gelagert. Und dann ist da noch die FPÖ, die gerade dabei ist, für die Kanzlerpartei eine Falle aufzustellen. Sie wirft der ÖVP nicht nur „bloßes Plagiieren“ vor. FPÖ-Obmann Herbert Kickl treibt die Kanzlerpartei, fordert sie auf, rasch eine gemeinsame Sondersitzung zum Bargeld einzuberufen.
Wenn die ÖVP einlenkt, hat sie ein Problem in der Koalition. Kickl schaltet jedenfalls den Gang hoch. Die Volksbefragung hat er schon gefordert. Kickl lacht sich eins: Entweder die ÖVP bildet ein Bargeldbündnis mit der FPÖ, dann ist dies Kickls Erfolg. Kneift Nehammer, hat er den Rest an Glaubwürdigkeit verloren. Zum Gaudium Kickls.
Quelle: Tiroler Tageszeitung, Kommentar von Michael Sprenger