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Ausgabe Juli 2023

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28.06.2023

Was bleibt, ist eine Vertrauenskrise

Foto: dbn

Was bleibt, ist eine Vertrauenskrise

Ende Juni laufen die letzten Corona-Verordnungen aus, es ist das offizielle Ende der Pandemie. Diese hat das Vertrauen in Politik, Medien, Wissenschaft und Gesellschaft erschüttert. Was in der Pandemie fehlte, war der Dialog.

Wie sehr das Vertrauen in die Bundesregierung in Öster­reich gelitten hat, zeigen Indizes und auch, als ein Beispiel von vielen, das Krisensicherheitsgesetz. Von ÖVP und Grünen wohlwollend benannt, wurde es von negativen Stellungnahmen geradezu überschwemmt. Die Bundesregierung wollte Österreich krisensicherer machen, doch die Ankündigung, mit einer einfachen Mehrheit beschließen zu wollen, wann Krise ist und wann nicht, zog Argwohn auf sich.

Und die im Gesetz formulierte Absicht, dass die Bundesregierung das Bundesheer einsetzen könnte, um im Krisenfall einzelne Maßnahmen der Vorsorge zu treffen, ließ die Allianz der Gegner noch größer werden. Vergleiche mit Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orbán wurden laut. Letzte Woche einte sich die Opposition, deren Rolle in der Pandemie unterschiedlicher nicht hätte sein können, und verweigerte der Bundesregierung die Zweidrittelmehrheit, die diese im Nationalrat für das Gesetz gebraucht hätte.

Regierungen und die Politik als solche sind nicht die Einzigen, die an Glaubwürdigkeit eingebüßt haben. Medien und Wissenschaft können sich einreihen, ja selbst das Vertrauen der Menschen zueinander, das die Grundvoraussetzung für ein gedeihliches gesellschaftliches Zusammenleben überhaupt darstellt, hat gelitten. Alle beruflichen Disziplinen eint, dass die Corona-Pandemie in den meisten Fällen zu undifferenziert betrachtet wurde. Kritiker wurden schnell mundtot gemacht, in jeder Berufsgruppe. Vom Lehrer bis zum Juristen. Der fehlende Dialog führte dazu, dass sich die Fronten verhärteten, die Kritiker immer lauter und teilweise auch extremer wurden, um in der Mehrheitsmeinung gehört zu werden. Das hat unserer Gesellschaft und unserem politischen System nachhaltig geschadet.

Die Corona-Krise mag nun offiziell zu Ende sein, die Vertrauenskrise wird uns noch lange beschäftigen und, so sie nicht anständig therapiert wird, chronisch werden. Der Wunsch, nicht mehr über die Pandemie zu reden, ist nachvollziehbar. Schließlich muss jeder in sich gehen und sich fragen, was er für eine Rolle im kollektiven Ausnahmezustand gespielt hat und wie zufrieden er damit sein kann.

Unsere Gesellschaft muss dringend zurückfinden zu einem Dialog, zu einem Perspektivenwechsel. Dazu, eine Situation mit den Augen des Gegenübers zu betrachten und sich auszutauschen. Alles, was dazu beiträgt, in welcher Disziplin auch immer, ist mehr als wünschenswert, ist herbeizuführen und ist das Fundament einer funktionierenden Demokratie.

Quelle: TIROLER TAGESZEITUNG "Leitartikel" 27. Juni 2023, von Anita Heubacher

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