30.06.2023
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COVID-19 wird in Österreich ab Juli keine anzeigenpflichtige Infektionskrankheit mehr sein. Der entsprechende Gesetzesbeschluss des Nationalrats hat heute mit den Stimmen der Koalitionsparteien den Bundesrat passiert. Damit wird ein vorläufiger Schlussstrich unter die COVID-19-Pandemie gezogen. Kostenfreie Impfungen wird es aber - basierend auf noch auszuarbeitenden Impfempfehlungen - weiterhin geben. Auch bewährte Monitoringprogramme wie Abwasseranalysen werden fortgeführt und einzelne im Zuge der Corona-Pandemie eingeführte Sonderregelungen ins Dauerrecht übernommen. Die Kosten von Corona-Tests werden allerdings nur noch bei vorliegenden Symptomen von der Krankenversicherung getragen.
Begründet wird das Aus für den Großteil der Corona-Regelungen mit der höheren Grundimmunität der Bevölkerung sowie den milden Krankheitsverläufen durch die vorherrschenden Virusvarianten. Dadurch habe sich das Risiko für die Gesundheit und das Gesundheitssystem deutlich verringert, argumentieren ÖVP und Grüne. Die Opposition sieht das Gesetzespaket allerdings teilweise kritisch, wobei der SPÖ die Maßnahmen etwas zu weit gehen, während die FPÖ eine vollständige Rückkehr zur Normalität vermisst.
Endgültig auf Schiene sind auch weitere Gesetzesbeschlüsse des Nationalrats aus dem Gesundheits- und Sozialbereich. Das betrifft etwa eine Novelle zum Apothekengesetz, die künftig unter anderem die Einrichtung von Abholfächern für Medikamente in Apotheken ermöglicht. Zudem werden befristet eingeführte Regeln zur Opioid-Substitutionsbehandlung für Drogenkranke ins Dauerrecht übergeführt, nachdem sich diese nach Meinung aller Fraktionen bewährt haben. Einkommensschwache Haushalte werden bis Ende 2024 monatliche Sonderzuschüsse von 60 € für jedes Kind erhalten.
Keine Mehrheit erhielten Entschließungsanträge der Opposition, die im Zuge der Beratungen eingebracht wurden. Während die SPÖ weiterhin auf ein Inflationsdämpfungsgesetz pocht und für ein "Gesundheitsversorgungspaket" warb, bekräftigte die FPÖ ihre Forderung nach einem Corona-Wiedergutmachungsfonds des Bundes.
COVID-19-Überführungsgesetz: SPÖ und NEOS sehen positive und negative Punkte
Ergänzt wird das heute endgültig fixierte COVID-19-Überführungsgesetz durch ein COVID-19-Impffinanzierungsgesetz, das die Finanzierung von Schutzimpfungen für den kommenden Winter regelt. Demnach wird der Bund den Ländern und den Gemeinden einen Aufwandsersatz von 20 € pro Impfung gewähren. Umfasst sind alle kostenfreien Impfungen, die zwischen Anfang Juli 2023 und Ende März 2024 verabreicht werden.
Seitens der SPÖ begrüßte der niederösterreichische Bundesrat Christian Fischer grundsätzlich das Aus für einen Großteil der Corona-Regelungen. Seiner Meinung nach geht das Überführungsgesetz aber "etwas zu weit". Man sei zu unbesorgt, schloss er sich der Stellungnahme einer Ärztin an. So sieht Fischer etwa die teilweise Abschaffung von kostenfreien Testungen kritisch. Zudem wies er auf Kritik der Länder hin, die die 20 € pro Impfung als zu niedrig bewerten. Fischer vermisst darüber hinaus "ein sinnvolles Epidemiegesetz", man müsse aus der COVID-19-Pandemie lernen.
Der SPÖ-Bundesrat nutzte die Debatte auch dazu, um von der Regierung die Vorlage eines Gesundheitsversorgungspakets einzufordern. Unter anderem sind der SPÖ die Rückabwicklung der Sozialversicherungsreform, die Ausschüttung der versprochenen "Patientenmilliarde", ein Anreizsystem für Kassenärzt:innen und eine Verdoppelung der Medizinstudienplätze ein Anliegen. Auch plädierte Fischer dafür, das deutsche "Modell Landarztquote" in adaptierter Form in Österreich einzuführen.
Das vorliegende Gesetz habe positive und negative Komponenten, meinte auch NEOS-Abgeordneter Karl-Arthur Arlamovsky. So hält er es für gut, dass es weiterhin eine epidemiologische Überwachung geben wird und die Kosten für Tests bei Symptomen - wie für alle anderen Diagnosen - weiterhin von der Krankenkasse getragen werden. Hingegen kritisierte er die vorgesehenen Zweckzuschüsse für die Länder und die Gemeinden, zumal ihm zufolge nicht sichergestellt ist, dass die Mittel tatsächlich zweckgemäß verwendet werden. Es gebe keine Notwendigkeit, weiterhin spezielle Impfstellen zu betreiben, erklärte Arlamovsky.
FPÖ fordert Entschuldigung "für zweieinhalb Jahre Corona-Wahnsinn"
Eine "ehrliche Entschuldigung für zweieinhalb Jahre Corona-Wahnsinn" forderte der steirische FPÖ-Bundesrat Markus Leinfellner. Österreich habe in den letzten zweieinhalb Jahre 70 Mrd. € ausgegeben, um völlig übertriebene Maßnahmen abzufedern, beklagte er. Auch nach Meinung seines Tiroler Parteikollegen Christoph Steiner hat sich die Regierung durch völlig überzogene Corona-Maßnahmen disqualifiziert. Es brauche einen Untersuchungsausschuss, ist Leinfellner überzeugt.
Mit einem Entschließungsantrag forderten Leinfellner und sein Fraktionskollege Andreas Arthur Spanring die Einrichtung eines mit mindestens 250 Mio. € dotierten Corona-Wiedergutmachungsfonds des Bundes. Dieser soll der FPÖ zufolge nicht nur die Auswirkungen der Corona-Maßnahmen evaluieren und dokumentieren, sondern auch Personen mit Therapiebedarf infolge von Impfbeeinträchtigungen oder psychischer Probleme unterstützen. Auch Gutscheine für Nachhilfe und Freizeitaktivitäten sowie weitere Maßnahmen sollten aus dem Fonds finanziert werden.
ÖVP und Grüne halten Vorsicht weiter für geboten
Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne/OÖ) betonte, dass mit dem Ende der Meldepflicht auch alle Verkehrsbeschränkungen für mit dem Coronavirus infizierte Personen nach dem COVID-19-Maßnahmengesetz enden. "Wir werden aber weiter achtsam und vorsichtig sein", versicherte sie. Niemand werde vergessen, wie die Zeit der Corona-Pandemie gewesen sei. Ausdrücklich begrüßte Hauschildt-Buschberger, dass es bei niedergelassenen Ärzt:innen weiterhin kostenlose COVID-19-Test geben wird, wenn entsprechende Symptome vorliegen. Auch die Corona-Impfung und Medikamente würden über den 30. Juni 2023 kostenlos bleiben.
Vorsicht und Wachsamkeit hält auch die oberösterreichische ÖVP-Bundesrätin Johanna Miesenberger (ÖVP/OÖ) weiterhin für geboten. Die WHO habe mittlerweile zwar den weltweiten Gesundheits-Notstand aufgehoben, ein völliges Aus für alle Vorkehrungen, wie von der FPÖ gefordert, wäre ihrer Meinung nach allerdings "leichtsinnig". Matthias Zauner (ÖVP/NÖ) verteidigte die COVID-19-Hilfen und wies auf die Aufarbeitung der COVID-19-Pandemie hin. Mit dem morgigen Tag könne man ein neues Kapitel in Österreich eröffnen, zeigte er sich erfreut.
Rauch: Vorsichtsmaßnahmen werden nicht abgeschafft
"Wir schaffen nicht alle Vorsichtsmaßnahmen ab, wir sind ja nicht dumm", hielt Gesundheitsminister Johannes Rauch der SPÖ entgegen. Nur weil es derzeit in Österreich eine gute epidemiologische Situation gebe, werde das Virus nicht verschwinden. In diesem Sinn seien etwa weiterhin Abwasseranalysen vorgesehen.
Was die laufenden Finanzausgleichsverhandlungen betrifft, zeigte sich Rauch zuversichtlich, dass es zu einer Einigung mit den Ländern und den Gemeinden kommen wird. Diesen sei ein neuer Finanzausgleich ein wesentliches Anliegen, da sie mehr Geld für die Bereiche Gesundheit und Pflege brauchen, meinte er. Bei den Primärversorgungszentren erwartet Rauch nicht zuletzt durch die im Parlament liegende Primärversorgungsnovelle einen "Boom".